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Rund um Spitzbergen


Ende Mai verlassen wir Tromsø in Richtung Spitzbergen. Wir haben ein Permit für die Umrundung von Spitzbergen erhalten. Acht Wochen dauert unsere einmalige Reise. Zunächst erkunden wir den noch sehr winterlichen Hornsund und erreichen nach einem Zwischenstopp im Bellsund den grossen Isfjord und Longyearbyen. Longyearbyen, im Sommer eine eher staubige Stadt, besuchen wir mehrfach. Mit Leihfahrrädern kürzen wir den Weg ins Städtchen etwas ab und erleichtern so unsere Einkäufe. Beim Büro des Sysselmesteren (Gouverneur) besorgen wir uns Erlaubniskarten für den Einkauf einer „Monatsration Alkohol“. So erstehen wir gutes lokales Bier– natürlich aus der nördlichsten Brauerei der Welt. Dieser Superlativ wird hier gerne und oft verwendet… Ein Highlight in Longyearbyen ist für uns das Konzert mit Patti Smith. Ein grandioses Konzert und schön, sie mit 76 Jahren voller Energie, zusammen mit ihrem Sohn, auf der Bühne des Kulturhauses zu sehen.


Im Hafen ist immer ordentlich etwas los. Private Segelschiffe und viele kommerzielle Anbieter liegen am Steg, meistens im Päckchen. Wir treffen „Bekannte“ aus Tromsø wieder, man besucht sich auf einen Drink und bietet bei Reparaturen gegenseitig Hilfe an. Ein Problem mit unserer Ankerwinde können wir provisorisch selber reparieren, so dass wir weiter Ankern können und es für die Weiterfahrt kein Hindernis bedeutet. Im Isfjord beobachten wir einige Walrösser – es werden nicht die Letzten sein - und verbringen einen interessanten Tag in Pyramiden, eine verlassene Minenstadt aus der UDSSR – Zeit.

Wir setzen unsere Reise gen Norden, entlang der Westküste von Spitzbergen, fort. Die Landschaft ist immer wieder anders, sofern wir sie denn sehen. Am Forlandsrevet – einer flachen Barre (Untiefe) im Forlandssund zwischen Prins Karls Forland und Spitzbergen - haben wir leider sehr unangenehmen Nebel. Wir mogeln uns mit Schleichfahrt und sehr wachsamem Auge auf die Wassertiefe (im Foreward Scan nur 4 Meter) über diesen Bereich. Auch in den folgenden nicht kartierten Buchten und Küstenabschnitten möchten wir die „vorausschauenden Augen“ des Scanners unter der Wasserlinie nicht mehr missen. Das Gleiche gilt für das Radar, welches sich beim Erspähen von mittleren und grösseren Eisbergen im Nebel sehr bewährt. Um auch kleine Growler aus Blaueis und Treibholz zu sehen, hilft aller Technik zum Trotz nur eine gute Ausschau vor den Bug.

Die Formen der Berge ändert sich und es liegt weniger Schnee an den Hängen. Die Gletscher bleiben monströs und beeindruckend. Die steinige und flache Tundra ist bei genauem Hinsehen durchsetzt mit immer wieder neuen Sorten von kleinen Pflänzchen. Je weiter nördlich wir kommen, umso gespannter werden wir auf das Packeis, bzw. die Eiskante. Wir haben zunehmend Eis an den Ankerplätzen, aber dies ist von den vielen kalbenden Gletschern, die hier direkt ins Meer münden. Das Geräusch von berstendem Eis am Stahlrumpf von Aegir geht uns schlafraubend durch Mark und Bein.

Wir fahren nicht bis an die Eiskante. Das Eis hat sich bereits sehr weit in den Norden zurückgezogen. Wir überqueren immerhin den 80. Breitengrad Nord, bevor wir wieder Kurs nach Süden in die Hinlopenstreet setzen. Hier durchqueren wir eine grössere Eiszone. Von der Ferne sieht es fast so aus, als gäbe es kein Durchkommen. Aus der Nähe finden wir mit Ausguck auf dem Kabinendach jeweils ohne grössere Schwierigkeiten einen Weg durch diese Zone. Damit ist der Weg für uns frei, die Hinlopenstreet weiter nach Süden zu fahren und Spitzbergen zu umrunden.

Landgänge – zu Fuss oder mit Skiern - finden wir immer etwas aufregend wegen einer potentiellen Eisbärbegegnung. Wir hören ein paar Mal von gesichteten Eisbären an Orten, an denen wir kurz zuvor gewesen sind. Nachdem wir die Nordküste gequert haben und zwischen Nordaustlandet und der Ostseite Spitzbergens wieder in Richtung Süden fahren, bekommen wir insgesamt zehn der imposanten Tiere selber zu Gesicht.

Wir sehen einzelne grosse Männchen oder jüngere Bären zusammen mit dem Muttertier, an Land oder schwimmend. Einmal sehr (zu-)nahe auch am Ankerplatz, über eine grosse Eisscholle laufend, direkt auf unser Schiff zu. Christine war vorgängig mit dem Verschieben der Eisschollen beschäftigt, die am Schiff hängen geblieben sind.

Als sie auf das Eis um uns herumschaut, sieht sie einen neugierigen Eisbären zielstrebig, auf einem Eisschollenweg, auf uns zu kommen. Er könnte von der Eisscholle direkt auf die Aegir klettern. Auf lautes Rufen reagiert er gar nicht. Als er 10 m vom Schiff entfernt ist, kann Gregor ihn mit einem Schuss aus der Flinte abschrecken und der Bär macht kehrt. Bei unserem letzten Landgang an der Südspitze von Spitzbergen (Edgeøya) sehen wir noch drei Eisbären aus der Ferne in unsere Richtung laufen. Wir beenden diesen Landgang zügig.

Weitere arktische Tiere beobachten wir zahlreich aus unterschiedlichen Distanzen. Von Anfang an sehen wir die kurzbeinigen Spitzbergen-Rentiere und ihre abgestossenen Geweihe.

Die Vogelwelt ist reichhaltig vertreten. Wunderschön sind die Puffins (Papageientaucher…) und lustig zu beobachten sind die Lummen. Wir beobachten eindrückliche Massenansammlungen von Möwen an Gletschern oder der Lummen an steilen Felsen. Schwierig sind die Kontakte mit der Küstenseeschwalbe, weil sie von oben angreift und in den Kopf piekt, wenn man ihren Brutstätten zu nahekommt. Diese Brutstätten sieht man dummerweise kaum, da sie direkt in der Tundra auf den Steinböden brüten. Daher unternehmen wir ein paar Wanderungen, fuchtelnd mit Stöcken über unseren Köpfen, um diese Angriffe abzuwehren.

An einem Ankerplatz im Woodfjorden an der Nordküste sehen wir beeindruckt über 30 Belugawale. Sie schwimmen zunächst gezielt auf unser Schiff zu, um nach einigen Umrundungen zügig davon zu tauchen. Wir haben den Eindruck, dass sie uns inspiziert und als ungefährlich eingestuft haben.

Seehunde und Robben sehen wir vereinzelt, entweder auf Eis liegend oder neugierig aus dem Wasser schauend und mit Aegir spielend. Polarfüchse suchen genauso nach Eiern, wie die Eisbären. Und Nachwuchs ist immer wieder nett anzuschauen. Imposant sind die Walrösser, an denen wir immer wieder vorbeikommen. Echte Kolosse, die aufgereiht am Strand liegen oder auch im Wasser zu sehen sind. Zu nah heran wollen wir nie, erstens stinken sie übel und zweitens haben wir Respekt vor ihrer Masse, der unerwarteten Schnelligkeit und der Länge ihrer Stosszähne.

Unzählige Walskelette aus der Walfangzeit liegen an den Stränden herum und sind z.T. mit der Erde verwachsen. Auch Reste von alten Walfangstationen, Holzboote, Trapper Hütten, von früheren Expeditionen und Wetterstationen aus dem zweiten Weltkrieg sind rundum Spitzbergen zu bestaunen. Die weltweite Bedeutung von Spitzbergen ist auch an der grossen internationalen Forschungsstation in Ny Ålesund zu erkennen.

In diesen zwei Monaten erhielten wir einen grandiosen Eindruck der Berge, Tundra, arktischer Wüste und der Jahreszeiten. Schnee-Eis Landschaften, Tauwetter und dann spärliches Aufblühen der Vegetation.

Zum Schluss unserer Reise (Ende Juli) deutete die Vegetation zusammen mit dem Sonnenstand bereits wieder auf den Herbst hin. Nebst diesen einmaligen Erlebnissen in einem sehr eindrücklichen Teil unserer Erde sind wir sehr zufrieden mit unserer Planung. Es hat grosse Freude gemacht, neue nette Menschen kennenzulernen, sie auf der Route wieder zu treffen und gemeinsame Abende zu verbringen. Wir wurden von keinem Sturm überrascht und insgesamt hatten wir angenehmes Wetter und moderate Windverhältnisse. Zudem hatten wir wenig Nebeltage und konnten die Mitternachtssonne sehr häufig ohne Wolken geniessen. Die Überfahrt auf das norwegische Festland dauerte drei Tage, leider bei bewölktem Himmel. Die Prognosen stimmten und wir erreichten Hammerfest nach einem Mix aus Motorsailing und gutem Segeln bei Down- und Halbwind. Sobald wir die Küste der Finnmark erreichten, waren wir begeistert vom Kontrast der saftigen grünen Landschaft. Wir haben Norwegen fast noch im Winter verlassen und kommen im Sommer zurück. Diesen werden wir nun bei angenehmen Temperaturen voll geniessen auf unserer Fahrt weiter in den Süden Norwegens.



Und zum Schluss noch zwei Belletristik Tipps zu Spitzbergen:

Christiane Ritter, Eine Frau erlebt die Polarnacht (ISBN9783548377315) und

Line Nagell Ylvisåker, Meine Welt schmilzt. Wie das Klima mein Dorf verwandelt (ISBN: 978-3-455-01125-8)


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